
Coolness: mangelhaft

Zwei Jahre habe ich im Ausland gelebt. Erst war da diese Nonnengeschichte in Sri Lanka, dann habe ich viel Yoga samt YogalehrerInnenausbildung gemacht, in einem Wolfsreservat gearbeitet und so. Das klingt aufregend und mir wird aufgrund dessen oft eine gewisse Coolness angedichtet. Völlig zu Unrecht.
Ich bin ein zutiefst schüchterner Mensch. Tatsächlich habe ich stets Angst, jemand könnte mich nicht mögen. Oder soll mir doch einer erklären, warum ich in einer fremden Stadt ein Café, in das ich zum Schreiben gehen möchte, zuerst vier Mal umrunde, bevor ich es betrete. Falls ich es betrete. Ich schlendere vorbei, argumentiere in meinem Hirn, das sei ja vielleicht nett, doch vielleicht will ich eh nicht hinein. Immerhin könnte mich der Kellner nicht mögen. Vielleicht schaut mich jemand komisch an. Vielleicht schreibe ich ohnehin lieber im Hotelzimmer. Meistens tue ich dann einfach so, als wäre ich eine, die mit solchen Situationen virtuos umzugehen weiß. Fake it to make it.
Ich habe vor allem Angst, ich tu's nur trotzdem. Wenn ich das Gefühl im Bauch habe, etwas unbedingt zu wollen, dann stürme ich blindlings drauflos, komme was wolle. Als ich nach Sri Lanka ging, war mir schlecht vor Angst. Denn das mit dem In-die-Ferne-Reisen ist ja so eine Sache. Da freut man sich auf allerlei Unbekanntes zum Staunen und tatsächlich kommt dann sogleich der Tag, da hockt man nach erledigtem Geschäft auf der exotischen Insel erleichtert über einem Häusl und fragt sich a) wo das Klopapier ist, b) was der Wasserkübel soll und c) wie man halbwegs würdevoll jemals wieder aus dieser Situation herauskommen soll.
Wie sehr ich mich oft deplatziert und knapp vor der Blamage fühle, wenn mir die Gepflogenheiten nicht geläufig sind! Ich habe Angst, versehentlich das Zitronenwasser zu saufen, weil es so nett am Tisch steht, und dabei fröhlich dem entgeisterten indischen Wirt zuzuprosten. „Das ist unabgekochtes Grindwasser fürs Händewaschen, du ausgesprochen dummes Ding!!“ höre ich ihn präventiv in meinem Schädel rufen.
Als ich erstmals nicht in der hintersten Reihe saß, sondern vorne im Hörsaal stand und meine erste Vorlesung hielt, klammerte ich mich am Pult fest, um nicht umzufallen. Ich hatte meinen Magen zwischen den Zähnen und mein Herz in der Hose. Interessanterweise fallen meine Zustände Außenstehenden aber nie auf. Ich wende unbemerkt alles an, was ich jemals auf der Yogamatte gelernt habe: Fest auf beiden Füßen stehen. Gerade Haltung. Offener Brustkorb, Schultern weg von den Ohren. Kiefer entspannen. Bauchatmung. Freundlich sein. (Auch zu mir selbst.)
Einfach so tun, als ob. Und plötzlich wächst man in die Richtung.