
Bald ziehen wir weiter.

Bald werden wir hier wegziehen. In sechs Wochen verlassen wir unsere Wohnung. Die Wohnung, in der wir eine Familie wurden und es wäre völlig jenseits zu behaupten, mich berühre das nicht.
Alles scheint vor Erinnerungen zu triefen. Verstohlen streichle ich die blauen Fensterrahmen, die ich vor Jahren geschliffen und lackiert habe. Mein Blick huscht über die momentan noch winterlichen Blumenkisten auf diesem komischen Balkon. Elendig schmal, dafür ewig lang. So sehr ist er mir mit seiner penetranten Schattigkeit auf die Nerven gegangen, so sehr hab ich ihn geliebt. Auf dem kleinen roten Klapptisch auf dem Balkon habe ich den Großteil meines Buchmanuskripts geschrieben, während Sohn 1 drei Meter unter mir in der Sandkiste im Hof spielte. Hier saß ich, als der Kindsvater erstmals ein paar Tage mit Sohn 1 alleine unterwegs war um 15 Uhr mit bombigem Bowlen-Rausch. D. und meine Schwester leisteten mir in meiner Juhu-Mann-und-Kind-sind-weg-Euphorie solidarischen Beistand und saßen glücklich besoffen an meiner Seite.
Wir verlassen unser selbstgebautes Familienhochbett, unser Wohnzimmer, in dem Sohn 1 erst unfreiwillig rückwärts krabbelte und immer meuternd unterm Sofa stecken blieb, schließlich laufen lernte und wo er uns heute in seiner Puppenküche verköstigt. Da ich beschlossen habe, ein bissl Coolness stünde mir vielleicht nicht schlecht, würge ich die Tränen hinunter und konzentriere mich auf die Negativaspekte unserer Wohnsituation. Dann kann ich leichter gehen.
Immerhin müssen wir allen Ernstes über diesen Balkon gehen, um ins Bad zu gelangen, weil wir ansonsten durch das Zimmer unserer Mitbewohnerin marschieren müssten. Das war vor allem während der letzten Wochen schneegestöberbedingt suboptimal. Ein bisschen mehr Platz und Privatsphäre wären auch nicht verkehrt.
Und ist es eigentlich ein Zeichen von Verspießerung, wenn mir die Vorstellung, mich künftig morgens nicht mehr auf vorgewärmte Klobrillen zu setzen, ein Lächeln aufs Gesicht zaubert?
Wir ziehen also weiter. In sechs Wochen schließe ich die Wohnungstür hinter mir, in deren Rahmen der Mann an meiner Seite vor ein paar Monaten gekniet ist und fragte, ob ich ihn denn eigentlich heiraten möchte. Und dann werde ich eventuell ein kleines bisschen weinen müssen.
(Bevor ich ins Dachgeschoß ziehe.)
(Juhu!)