
Heldenplatz: flächendeckend zugeschissen.

Unlängst in Wien. Eingepackt bis über beide Ohren spaziere ich mit dem Babysohn im Kinderwagen durch die inneren Bezirke. Ich war hier einmal sehr zuhause, doch seit ich vor vier Jahren aus meiner Studenten-WG ausgezogen bin, war ich nur noch selten hier.
Die Sonne scheint mir sehr erfreulich auf die Nase, ich bin ziemlich glücklich. Ich marschiere im Volksgarten am Theseustempel vorbei, mein Kopf spült Erinnerungen über Erinnerungen ans Tageslicht. Auf diesen Stufen bin ich immer mit meinen Skripten gesessen, habe geraucht wie ein Schlot, mich um eine möglichst intellektuell anmutende Silhouette bemüht und versucht, diverse Prüfungsinhalte in mein Hirn zu befördern. Hier absolvierten D. und ich jahrelang unsere obligaten Abendspaziergänge. Hier saß ich mit dem Mann an meiner Seite, als wir damals frisch an unseren Seiten waren, und küsste ausdauernd.
Als ich den Volksgarten verlasse ist ein Hunderudel respektabler Größe damit beschäftigt, den Heldenplatz flächendeckend zuzuscheißen. Auf gewisse Traditionen ist also Verlass, ach, ich liebe diese Stadt! Die Sonne blinzelt hinter der Nationalbibliothek hervor, der Babysohn schläft wie ein Murmeltier und mir fällt ein, wie ich damals monatelang täglich hierher geradelt bin, um im Lesesaal an meiner Diplomarbeit zu schreiben. Und jetzt? Jetzt schiebe ich mein zweites Söhnchen vor mir her. Der Stolz steigt langsam aber sicher in mir auf, meine Ohren glühen schon, im letzten Moment reiße ich mich zusammen und hindere mich daran, ihn aus dem Wagen zu reißen (wie in dieser Szene bei "Der König der Löwen"), um ihn eine Runde hoch in die Luft halten, damit sich das geneigte Volk an seinem Anblick weiden möge.
Seit ich in den 17. Bezirk gezogen bin, der mit bemerkenswerter Anspruchslosigkeit glänzt, ist mir die Dichte der pelzbemäntelten Hofratswitwen im achten Bezirk erst bewusst geworden. Da hab ich früher gewohnt, genau gegenüber des Theaters. Super war's - Uni fünf Gehminuten entfernt, außerdem grandiose Mitbewohner. Mutter hätte ich hier vermutlich jedoch keine sein wollen. Überall Bugaboo-Eltern, die am Spielplatz stolz ihre Zwerge im handgewalkten Wolloverall mit ungesalzener Pappe füttern, die Waldviertler Schuhbänder zurechtzupfen und sich über Frühförderkurse beratschlagen...
Schnell mache ich mich zurück auf den Heimweg. Im Pezzlpark ist das Elternrudel damit beschäftigt, heftigst rauchend am Sandkistenrand zu hocken und zu tratschen, während die Kinder tunlichst keines Blickes gewürdigt werden.
Zufrieden lasse ich mich auf eine Bank plumpsen, zupfe meine Waldviertler Schuhbänder zurecht und schnappe mir einen Dinkelcracker.
Do I contradict myself? Very well, so I contradict myselt- I am large, I contain multitudes. (Danke, Walt Whitman!)