So! Warum ich kein Spaßleben führen möchte. | Eva Karel | Brutstätte für Yoga, Text & Bild

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So! Warum ich kein Spaßleben führen möchte.

27. November 2013
So! Warum ich kein Spaßleben führen möchte.

Warum ich mich so spaßbefreit anstelle, wenn es um einen Lebensfokus rund ums Arbeiten und Konsumieren geht?

Nun, weil ich nicht so tun kann, als bekäme ich es nicht mit. Nein, ich habe keineswegs Interesse daran, meine Lebenszeit zu verhackeln, um jenes Geld zu beschaffen, das es mir ermöglicht, in technisch immer ausgereiftere Produkte zu investieren. Auch werde ich meine Lebenszeit nicht dahingehend investieren, um retuschierten Frauenbildern nachzueifern, die mir sagen, wie ich meinen doppelt-postpartalen Körper möglichst ansprechend gestalten und darbieten soll. Genauso wenig werde ich meine ersten grauen Haare zupfen. 

Ja, ich habe manchmal Angst, nicht zu genügen. Äußerlich, innerlich, familiär, beruflich. Doch das sind Dinge, die ich mit Konsum und Gehabe nicht ändern werde, weswegen es vergeudete Lebenszeit wäre, mich auf die Akquise von Produkten zu fokussieren. Bin ich ein Weichei? Nein. Brauche ich Ausrüstung, die auf dem letzten Stand ist? Niemals. Meine 95-jährige Großmutter absolvierte am Dreigangrad tagelange Radausflüge, stapfte liftlose Hänge hinauf, um dann auf irgendwelchen Brettern wieder herunterzudonnern. Ich glaube nicht, dass wir heute mit 1A-Equipment mehr Spaß herausziehen, auch wenn uns die geschätzten Werbefachleute genau das weiszumachen versuchen. Als ich in Sri Lanka, Indien und Tansania war, beobachtete ich die Leute beim fröhlichen Bergwandern in Flipflops. Hat sich jemand verletzt? Irgendwelche Umknöchel-Aktionen? Nix dergleichen, weil ihre Fußknöchel gottverdammtnochmal gewöhnt sind, Acht zu geben. Brauchen Tiere Schnickschnack, um sich nicht die Knöchelchen zu verknacksen? Die Natur wäre ein schöner Trottel, hätte sie so produziert.

Ich kann einfach nicht mit teuren Produkten renommieren, wenn mir völlig bewusst ist, dass diese Ressourcen in Anspruch genommen haben, die schlichtweg nicht zur Verfügung stehen. Oder vielleicht MIR zur Verfügung stünden, aber auch nur, weil ich eine privilegierte kleine Europäerin bin. Ich weiß nun mal, wie es mit globalen Wertschöpfungsketten aussieht und bekomme Brechreiz davon. Nein danke, ich möchte nicht so gerne in Billigessen etc. investieren, um mein Geld für technische Gadgets etc. zu sparen. Und nur weil viele dennoch einen solchen Fokus setzen trage ich für mich und mein Leben trotzdem Verantwortung.

Ich habe keineswegs vor, meine Kinder zu kleinen, perfekt funktionierenden Robotern heranwachsen zu lassen, die nach absolvierter Bildung auf den Arbeitsmarkt zugeschnitten sind, um dort fünf Tage pro Woche ein kleines Zahnrädchen zu sein, das für irgendwelche Firmenziele arbeitet, die nicht nie ihren sind. Angst habe ich auch keine. Ok, vielleicht doch. Immer wieder. Doch wir können ja ohnehin nicht so tun, als lebten wir im Elfenbeinturm und bräuchten nur genügend Scheuklappen aufzufahren, dann könnten wir uns schon von den Ausbeutungsverhältnissen, die unseren Wohlstand maßgeblich mitbegründen, von der Vermüllung des Planeten, die wir mit unserem Lebenswandel bewirken, entkoppeln.

Ja, ich will ein gutes Leben. Ich will auch Spaß und Genuss, keine Frage. Hauptsächlich aber will ich Sinn. Ein Leben führen, für das ich einstehen kann. Ich will mir selbst aufrecht in die Augen schauen können und nicht aus Angst meine Entscheidungen fällen und damit vor einem System buckeln, das einen Bruchteil der Weltbevölkerung bevorzugt und den Rest im Klo hinunterspült.

Es ist MEIN Leben und definitiv werden Dinge schief gehen. Vielleicht kann immer wieder Aufstehen  meine bevorzugte Sportart darin sein.