
Ode an die Kinderkrippe

Als ich heute Morgen gedankenversunken aus dem Kindergarten tapse, kommt mir diese Langhaarige entgegen. Ihre einjährigen Zwillinge vor sich herschiebend, ihre Zweijährige an der Hand steuert sie ebenfalls in Richtung Kindergarten. Unsere Blicke treffen sich, sie lächelt matt und hebt müde eine Faust. "Freiheit!!". Ich reiße beide Hände in die Luft und grinse sie solidarisch an.
Packen wir's an, das heiße Eisen. Wieviel Eltern braucht das Kind? Wieviel externe Betreuung?
In meiner Brust koexistieren zwei Seelen. Die anerzogene Sicht, das Kind gehöre schon idealerweise an die drei Jahre zur MUTTER - und meine eigene Erfahrung. Meine Kinder verbringen seit sie jeweils ein Jahr alt waren 5 Stunden täglich in der Krippe ums Eck. Sie hechten mir dort aus den Armen und werfen sich quiekend in die Kindermeute. Sie stehn drauf und ich steh sehr drauf, dass sie drauf stehen. Ernsthaft, mein Glück ist nicht enden wollend, täglich meine Auszeit von ihnen zu haben.
Warum ich darauf komme: Nun, die Brut beliebt mich auf Trab zu halten. Während ich in der Küche werke erklimmen sie den Esstisch, der Vierjährige springt lustig herunter, der Einjährige hängt zappelnd und fluchend am Tischrand, als ich aus der Küche sprinte - zum Glück hat er sich im letzen Moment festgehalten.
Sie verschrotten spielenderweise die Wohnung. "Ich hab den Mistkübel ausgeleert, weil ich will, dass er mein Boot ist." Putzig. Wie machen das Leute, die hauptberuflich Eltern sind? Ich kann's nämlich nicht, ich werd deppert dabei. Nach ein paar Tagen/Wochen/Monaten ausschließlich Popo putzen, stillen, aufräumen, trösten, Brei fabrizieren, Haushalt und wieder von vorn kann ich meinem Hirn förmlich beim Nasenbohren zuschauen.
Als wir später beim Abendessen sitzen haut mir der Kleine geschlagene vier Löffel Futter um die Ohren, indem er jeweils mit Schmackes auf den Löffel einprügelt. Ich gönne mir eine Runde reifes Verhalten und haue wütend auf den Tisch. Jetzt plärren beide, Halleluja. Doch ich weiß: Morgen ist wieder Kindergarten und ich werde selig Kaffee schlürfen, während ich den einen oder anderen Yogaworkshop austüftle, ein paar organisatorische Telefonate führe und meine Berufstätigkeit wie einen Spa-Besuch wahrnehme. Also her mit den Auszeiten.
Über richtig oder falsch in der Kindererziehung möchte ich nicht diskutieren, nein, ich bekomme Ohrensausen von diesem ideologiegeladenen Lagerdenken. Ich will kein Patentrezept austüfteln, ich möchte lediglich tun, was nötig ist, damit es UNS gut geht. Ich bin ein tendenziell einzelgängerischer Mensch mit sehr ausgeprägten Interessen. Und ich muss zusehen, mir selbst nicht durch die Lappen zu gehen. Meine Kinder haben sehr viel mehr von mir, wenn ich ein erfüllter Mensch bin. (Jetzt mal ganz abgesehen davon, dass auch irgendjemand das Familieneinkommen aufstellen muss.)
Also versuche ich, mir selbst zu erlauben, zu tun, was gut für mich ist. Und da finde ich Barbara Sichtermanns Ansatz hilfreich:
Das Bild vom Kind als Gast verweist die Erwachsenen auf ihr eigenes Leben. Es sagt, dass sie trotz aller Veränderungen ihr eigenes Leben weiterleben müssen, nachdem das Kind gekommen ist, um für sich selbst und das Kind von Interesse zu sein und um der Versuchung zu widerstehen, das Leben des Kindes mitzuleben, es ihm wegzuleben und so ihr eigenes und das des Kindes zu verfehlen.