wenn Frau Gscheit ins Lenkrad beißt | Eva Karel | Brutstätte für Yoga, Text & Bild

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wenn Frau Gscheit ins Lenkrad beißt

04. Juni 2014
wenn Frau Gscheit ins Lenkrad beißt

Ich red ja gern groß davon, wie prächtig das selbständige Arbeiten ist. Ich halte eine Handvoll Kurse und Seminare, denk mir vormittags in der Badewanne neue Workshopkonzepte aus, gehe über vor lauter Ideen und suhle mich in meinem Glück. Dann flattert eine Batzenrechnung der SVA herein und schon stehen die Existenzängste vor der Tür. Ich mach nicht auf, ich kenn die Saubande. Sie lungern lässig an die Wand gelehnt herum, den Kopf leicht im Nacken schauen sie von oben auf mich runter und kauen mit offenem Mund Kaugummi. "Hast geglaubt, für dich werden Extrawiaschtl gebraten, gell?" höhnen sie.

Es ist sich noch immer irgendwie ausgegangen, es haben sich immer neue Dinge ergeben, mit denen ich kaum gerechnet habe. Oft läuft es sogar sehr gut. Doch jetzt hab ich zwei Kinder und kein finanzielles Netz, das mich auffangen könnte. Also schnappatme zwischenzeitlich, bevor ich mich schnell zurück in den Sattel hieve und mir versichere, dass ich das eh schaffen kann. Fakt ist: Panik bringt nichts. Ich plärr der D. halt wieder mal die Schulter nass, dann geh ich schreiben. Hirn sortieren, Plan B, C und D schreibend durchdenken, den nächsten logischen Schritt herausfiltern. Wichtig: Bemerken, was alles gut hinhaut, statt mich dran festzubeißen, was vielleicht schiefgehen könnte. Ich sag mir, So! Entweder du jammerst über die Verantwortung, oder du bist stolz drauf, dass du sie tragen kannst. Immerhin stiefeln da zwei ausgenommene Prachtburschen an meiner Seite durchs Leben. Kuriert meinen Opfermodus meistens flott.

Doch dann blinkt auf einmal das Öllamperl des neuen Autos penetrant rot, will sich nicht wegignorieren lassen und mir haut's kurz die Gachzornigkeit heraus. Ich beiß ein bisserl ins Lenkrad. Während die Kinder durchs parkende Auto turnen, wälze ich die Bedienungsanleitung. Nach einer Viertelstunde gelingt es mir, die Motorhaube zu öffnen. Ich ziehe den richtigen Hebel, es macht "PLOINK", ich kreische vor Stolz, die Kinder erschrecken sich furchtbar. Wie ein Pfau stelze ich um den Kübel herum und beäuge - möglichst versiert dreinschauend - zum ersten mal in meinem Leben einen Motorraum. Die an ihren BMWs schraubende Nachbarschaft observiert mich eingehend, während sie damit beschäftigt ist, lässig zu sein. Der Vierjährige geht zu ihnen rüber Konversation betreiben. "Das Auto von meiner Mama ist ein bissl eine Kraxn." "Wie bitte?" "Eine K-R-A-X-Ä."

Gleich scheißts euch an, heast, denk ich mir: Ich drapier die Bedienungsanleitung im Motorraum, damit niemand sieht, dass ich Schritt für Schritt ablese. Den 1,5-Jährigen auf der Hüfte messe ich den Ölstand, fülle Öl nach und platze fast vor Stolz. Fall erledigt.

Not. 100 km später der selbe Spaß. Öllamperl blinkt, ich beiß ins Lenkrad etc.pp. Für manche Dinge brauch ich also doch Hilfe, die Tatsache erfreut mich nicht. Obwohl: Ist das wirklich so schlimm?

Seit einem halben Jahr bin ich mit den Kindern allein. Ich weiß jetzt: Ich kann das alleine.

Aber ich will gar nicht. Und deshalb werde ich euch demnächst meinen Senf zum Thema Unabhängigkeit auftischen.