
Wie man die Brut zur Kooperation bezirzt.

Ja, damit ich meine Projekte unterbringe, müssen die Kinder und ich ein Team sein. Was mir dabei ganz wichtig ist: Sie sollen nicht wie Roboter in Strukturen gezwängt, ihre Bedürfnissen nicht übergangen werden. Ich versuche daher, unserem Tagesablauf möglichst liebevoll Struktur zu geben und sie zum Mitmachen zu bezirzen, ohne über sie drüberzufahren. (Ja, das ist die Idealversion und wie wir wissen, fetzt es mir auch regelmäßig die Sicherungen.) Schaun wir uns das anhand einiger zusammengewürfelter Fragmente unseres Tagesablaufs an:
Spätestens um halb sieben hüpft mindestens eines der Kinder putzmunter auf meinem Gesicht herum. An guten Tagen bin ich zwar müde, aber hingerissen von diesen Schlumpfstimmen, den bettwarmen kleinen Füßen und dem alles vereinnahmenden Körperkontakt. An gschissenen Tagen hasse ich alle bin ich trotzig und tue mir sehr leid. Damit letzteres nicht zu häufig vorkommt, schau ich, dass ich genug Schlaf erwische und am Vorabend weiß, was ich am kommenden Vormittag vorhabe. - ich hab also meine Arbeitsunterlagen bereit und die Bude ist in annehmbaren Zustand, wenn wir in den Tag starten. Wir wurschteln uns aus der Hapfn, während die beiden furiose Schaukämpfe veranstalten (der Kleine stößt den Großen ins zerknautschte Bettzeug und wirft sich selbst nach), leg ich ihnen frisches Gewand heraus. Während ich den Kleinen wickle und anziehe, feuere ich den Großen an. "Geht scho - du ein Socken, ich ein Socken. Wer ist Unterhosen-Erster?"
Dann machen wir Frühstück, der Kleine trägt das Besteck zum Tisch, der Große darf meine Espressokanne befüllen. Erfahrungsgemäß sind sie sehr viel zufriedener, wenn sie mithelfen, wenn sie irgendeinen Part übernehmen dürfen. Auf dem Esstisch ist stets eine Spuckwindel platziert, mit der ich umgekippte Teehäferl, beim furiosen Umrühren von Bord gegangenes Müsli und Schnupfennasen "saubermache", während ich meinen Fokus streng auf die sehr süßen Blödheiten konzentriere, die sie verzapfen, statt mich über die Riesensauerei zu echauffieren. (Funktioniert mal gut, mal scheiße.) Nach dem Essen wird der Tisch sofort abgeräumt und die versaute Spuckwindel verbrannt in die Wäschetonne verfrachtet - erfahrungsgemäß nimmt das Chaos ansonsten seinen Lauf. Auf mein Kommando "Zähneputzen!" rennt in 80% der Fälle rennt einer weg und versteckt sich im Kasten, während sich der andere in Faultiermanier auf dem Boden zu suhlen beginnt, sich gedankenverloren einen Stift ins Ohr steckt und sich taub stellt. "Wer ist Zähneputz-Erster?" - schon kommen sie dahergehopst. Man entwickelt extraordinäre Animationskompetenzen bei der Brutpflege, samma uns ehrlich.
Morgendliche "Ich will noch spiiiielen-Tiraden" umgehe ich, indem ich einen Countdown runterzähle.
"Noch fünf Minuten spielen, dann gehn wir in den Kindergarten!" brülle ich aus dem Bad, die Zahnbürste zwischen den Zähnen. (zum Glück gehen sie dort gern hin, nur fällt die morgendliche Trennung vom Duplo-Zug halt so schwer.)
"Noch drei!"
"In einer Minute Schuhe anziehen kommen!"
- Hab ich mir von einer Freundin abgeschaut und kann's vollumfänglich empfehlen. -Da wissen die kleinen Leute, was auf sie zukommt und sind dann tatsächlich fast immer überraschend häufig mit im Boot!
Der Tagesablauf funktioniert, weil er zu einem gewissen Grad durchstrukturiert ist. Wenn die Schuhe angezogen sind, wissen die Mäuse: Nun wird in den Kindergarten marschiert, punktum. Und weil ich einen kleinen Puffer einkalkuliere, können wir dem Kran am Gasseneck noch zuschaun, wie er einen Container vom Dach hebt - sehr zur atemlosen Begeisterung der kleinen Monsieurs.
Fünf Minuten Gehweg zum Kindergarten. In der Garderobe feuere ich den bald Fünfjährigen beim Schuhe aus - und Patschen anziehen an, während ich dem Kleinen helfe. Dann erst der Große in seine Gruppe: Guten Morgen, baba, Bussi, dann der Kleine in seine Gruppe, baba, bis später, bussibussi. Und weg bin ich. Zum Schreibtreff, an die Uni, zurück nach Hause ins Home-Office. Drei, vier Stunden volle Konzentration, immer wieder unterbrochen von Freewritings, während derer ich nachdenke und plane. Gegen 12 - 13h geh ich heim, hol die Post aus dem Briefkasten. Aha, Steuerberaterhonorar zahlen - also in den zweiten Briefkorb zu den offenen Rechnungen. Wien Energie möchte, dass ich den Stromzählerstand im Atelier ablese. Passt, pick ich mir auf den Kühlschrank und schreib mir eine Notiz in den Kalender. Dann futter ich was, lektoriere ein bissl an einem Text herum und werfe Waschmaschine und Geschirrspüler an. Um 14h hole ich die Zwerge ab. Wenn es schön ist, gehen wir auf den Spielplatz oder in den Wald, wenn es schirch ist, gehn wir halt heim oder treffen Freunde.
Das haut gerade wirklich gut hin, was mich zu einem sehr fröhlichen Kerlchen macht. Die Kinder sollen mitentscheiden können, doch ich bin hier die Erwachsene und meiner Erfahrung nach bringt Herumeiern und alle Entscheidungen frei stellen ziemlich viel Gwirx. Meine Kinder sabotieren dann eher. Wichtig ist, mit welcher Haltung ich das mache. Nein, ich bin kein Feldwebel, der die ansonsten soziopathisch ausufernden Gfraster zur Räson drillt. Sie sind gute, kleine Menschen und ich sag ihnen halt, wie ich wir tun, damit wir gut miteinander auskommen.